Mehr Sicherheit für Drogenabhängige, mehr Entlastung für die Nachbarschaft

In Neukölln kümmert sich seit 2017 ein Team von Fixpunkt um Drogenkonsumierende - auf der Straße und seit 2019 auch in der Kontaktstelle „Druckausgleich“ in der Karl-Marx-Straße 202

Fotos: Birgit Leiß

Die erste Eindruck, wenn man die Räume nahe des S- und U-Bahnhofs Neukölln betritt: eine Mischung aus Arztpraxis und Wohnzimmer. Am Tresen werden Spritzen, Kanülen und andere Utensilien durch die Glasscheibe gereicht. Auch Kondome liegen aus. Direkt daneben eine Sitzecke mit brauner Ledercouch und Tisch. Im hinteren Bereich des großen Raumes gibt es eine Küchenzeile, davon abgetrennt eine Kleiderkammer nebst Waschmaschinen. „Die Leute, die hier reinkommen, machen im Grunde alles, was wir zu Hause auch machen, abgesehen vom Drogen konsumieren“, erklärt Monika Fonfara von Fixpunkt gGmbH, dem Träger von Druckausgleich, einer Kontaktstelle mit Drogenkonsumraum. Das heißt: Wäsche waschen, Lesen, Kaffee trinken, duschen und sich unterhalten. Manche nutzen den PC, andere spielen Schach. Mehrmals pro Woche gibt es ein warmes Essen. Viele – wenn auch nicht alle – haben keine eigene Wohnung.

Ein respektvoller Umgang

„Wir kennen viele schon seit langem und sprechen sie mit Namen an“, sagt die Sozialarbeiterin: „Wir wollen ihnen das Gefühl geben, willkommen zu sein“. Das sei eine Frage der Würde. Drogenabhängige sind sonst nirgendwo gerne gesehen. Außerdem ist es ein schwerer Schritt, in eine soziale Einrichtung zu gehen. Viele kommen nur, um die (mitgebrachten) Drogen einzunehmen. Es gibt aber auch die Möglichkeit, sich Unterstützung zu holen. „Wir telefonieren mit Krankenkassen wegen der Kostenübernahme, machen Sozialberatung, versorgen kleine Wunden und vermitteln bei Bedarf an weiterführende Hilfen“, beschreibt Monika Fonfara das Aufgabenspektrum.

Intensive Vertrauensarbeit

Die beiden Drogenkonsumräume mit insgesamt 6 Plätzen sind separat. Es sind weiß gekachelte, eher medizinisch eingerichtete Zimmer. „Vor Corona hatten wir 12 Plätze und sie waren ständig voll“, berichtet Malte Dau, Streetworker bei Fixpunkt. Wegen der Hygieneregeln musste man für mehr Abstand sorgen. Die Folge: die Konsumzahlen im Druckausgleich haben sich halbiert. Stattdessen wird wieder mehr im öffentlichen Raum konsumiert. Vier- bis fünfmal pro Woche gehen er und ein Kollege, begleitet von einem Sprachmittler, an die Orte in Neukölln, wo sich Drogenkonsumierende aufhalten. „Wir fragen zuallererst, was die Leute brauchen“, betont Malte Dau. Es dauere lange, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Das Streetworker-Team weist auf die Möglichkeit hin, in den hygienischen, geschützten Drogenkonsumräumen in der Karl-Marx-Straße zu konsumieren. Bei einem Notfall kann hier gleich vor Ort Erste Hilfe geleistet werden. Zum anderen klären die Streetworker darüber auf, wie wichtig die sichere Entsorgung der Spritzen ist. Dazu werden auch Entsorgungsboxen verteilt. Mittlerweile gibt es in Neukölln im öffentlichen Raum 11 Entsorgungsbehältnisse und zwei Spritzenautomaten. „Wir sagen den Leuten auch klipp und klar, dass gebrauchte Spritzen auf Spielplätzen ein No-Go sind“, erklärt Malte Dau.

Entlastung für die Nachbarschaft

Und wie ist das Verhältnis zur unmittelbaren Nachbarschaft? Beim Einzug hat sich die Einrichtung bei zwei Info-Veranstaltungen der Anwohnerschaft vorgestellt. Es gebe nach wie vor Leute, die große Vorbehalte haben, berichten Monika Fonfara und Malte Dau. Andere hätten ihnen gesagt, wie froh sie über die Einrichtung sind. Das Team bläut den Besucher:innen ein, nicht in unmittelbarer Umgebung zu dealen und auch sonst keinen Stress zu machen. „Wir entlasten die Nachbarschaft durch unser Angebot,“ ist sich Malte Dau sicher. Denn je mehr im Druckausgleich konsumiert wird, desto weniger Spritzen landen im Gebüsch. Den Drogenkonsum ganz zu verdrängen – das funktioniert auf Dauer nicht, ist man bei Fixpunkt überzeugt.

Fixpunkt hat eine überbezirkliche Broschüre mit Tipps zum Umgang mit Drogenabhängigen im Hausflur, Spritzenfunden usw. erstellt. Gedruckte Exemplare kann man sich kostenlos in der Kontaktstelle abholen. Außerdem kann die im Mai 2022 aktualisierte Broschüre hier heruntergeladen werden.