Wider die Schulflucht

Die Elterninitiative der Rixdorfer Grundschule setzt sich dafür ein, dass Eltern der Schule eine Chance geben.

Foto: Birgit Leiß

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Es fängt schon auf dem Spielplatz an: die Gespräche mit anderen Eltern, ob man sein Kind wirklich auf eine Brennpunktschule geben kann. Nicht wenige bildungsorientierte Eltern stellen einen Umschulungsantrag und klagen sich notfalls in ihre Wunschschule ein. Oder sie ziehen weg, sobald die Einschulung näher rückt. Auch Christian Schmidt und Wieschen Siewers hatten Sorge, dass ihre Kinder vielleicht ausgegrenzt würden, wenn auf dem Pausenhof überwiegend Türkisch oder Arabisch gesprochen wird. Oder dass sich die soziale Zusammensetzung der Klassen negativ auf das Lernklima auswirken könnte. Doch nachdem sie sich die Rixdorfer Schule bei einem Tag der offenen Tür angeschaut hatten, waren sie positiv überrascht: ein engagiertes Kollegium, ein großes Gebäude mit einem lichten Hof und eine hervorragende Ausstattung inklusive zweier Turnhallen, Mensa, Lernwerkstatt und Leseraum. Beide haben sich entschlossen, ihre Kinder hier einschulen zu lassen – und das nicht etwa als Sozialexperiment, wie Christian Schmidt betont: „Sonst hätten wir nicht ein Jahr nach der Einschulung unseres Sohnes auch noch unsere Tochter hier einschulen lassen.“ Um die Entscheidung auch anderen Vätern und Müttern zu erleichtern, gründeten sie 2018 die „Initiative Rixdorfer“.  

Eine Entwicklung, die niemandem guttut

Wichtig war für Wieschen Siewers, dass sie damals im Unterricht hospitieren konnte. Auch praktische Erwägungen spielten eine Rolle. „Alle profitieren davon, wenn die Kinder einen kurzen Schulweg haben und man sie nicht in Steglitz oder Wilmersdorf abholen muss“. Vor allem aber findet sie es bedauerlich, dass die Vielfältigkeit des Kiezes in der Schule nicht abgebildet ist: „Dass bildungsorientierte Eltern ihre Kiezschulen vor der Haustür meiden, ist eine Entwicklung die keinem guttut“. Wieschen Siewers Sohn fühlt sich sehr wohl in der Rixdorfer Schule. Das gilt auch für Christian Schmidts Kinder.

Sich selbst ein Bild machen statt auf den Spielplatz-Talk hören

Flyer entwerfen und verteilen, eine Homepage aufbauen, für Rückfragen der Eltern ansprechbar sein, in Kindergärten informieren – das ist eine Menge Arbeit. Warum macht man das? „Wir wollen uns aktiv einbringen“, erklärt Christian Schmidt. Klar sei das zeitaufwändig, aber es mache eben auch Spaß, etwas bewegen zu können. Von der Schulleitung sei man mit offenen Armen aufgenommen worden. Schulleiter Andreas Kolbe sagt, er sei sehr dankbar über das Engagement der Initiative. „Sie bringt frischen Wind und andere Perspektiven“. Ob dadurch die Anmeldezahlen steigen, kann er nicht sagen. Bei der Entscheidung für oder gegen eine Schule spielen viele Faktoren eine Rolle. „Die Eltern, insbesondere Akademiker, haben diffuse Ängste“, ist Christian Schmidts Erfahrung. Etwa dass ihre Kinder nicht maximal gefördert werden. Oder dass es auf dem Schulhof ruppig zugeht. Viele seien vom „Spielplatz-Talk“ so vorgeprägt, dass sie sich die Einzugsschule nicht einmal anschauen. Klar gibt es Verbesserungspotenzial, sagt Schmidt. Viele Kinder haben große sprachliche Defizite, die Schere zwischen leistungsstarken Kindern und Kindern, denen das Lernen schwerer fällt, sei enorm. Aber insgesamt werde darauf gut eingegangen. Wieschen Siewers und Christian Schmidt sind überzeugt: die Rixdorfer Schule ist schon jetzt eine Schule für alle. „Wir sind überzeugt, dass alle Kinder von Diversität in der Schule profitieren.“

Wohin nach der Kita?

Die Eltern bei einer vorurteilsfreien Schulwahl zu unterstützen ist auch das Anliegen des Projekts „Übergänge Kita-Grundschule – gemeinsam gestalten“. Dabei begleitet die Pädagogische Werkstatt, Trägerin des Projekts, acht Kitas und drei Grundschulen. Neben der Rixdorfer sind das die Theodor-Storm-Schule und die Elbe-Grundschule. Vesna Lovric von der Pädagogischen Werkstatt berichtet, dass die geplanten Informationsveranstaltungen und Elternworkshops wegen der Corona-Pandemie zum Teil nicht oder nur online stattfinden konnten. Zur besseren Vernetzung wurde eine aus Lehrkräften und Erzieherinnen zusammengesetzte Arbeitsgruppe gegründet. Als erstes Ergebnis wurde ein Kooperationskalender erarbeitet. Er listet wichtige Termine an den Schulen und Kitas auf, etwa Lesemonate, Tage der offenen Tür oder Sommerfeste. Außerdem wurde ein Fragebogen an die Eltern verteilt, in dem sie nach den Gründen ihrer Schulwahl gefragt wurden. Das Projekt läuft noch bis Ende 2021 und wird über das Programm Soziale Stadt gefördert.

Webredaktion