Existenzkampf mit Unterstützung: Neuköllns Läden trotzen der Krise

Wie geht es den Gewerbetreibenden im Quartier? Werden die Läden und Kleinunternehmen die Folgen des Corona-Lockdowns überstehen?

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Ina Rathfelder und Refat Absusalem haben zurzeit alle Hände voll zu tun. Die beiden beraten seit 2015 im Rahmen des BIWAQ-Projektes „Lokale Ökonomie“ Gewerbetreibende, zunächst nur in der Sonnenallee, seit Anfang 2019 in ganz Nord-Neukölln. „Am Anfang war die Verunsicherung groß, der Lockdown kam ja sehr plötzlich“, berichten sie. Die Geschäftsleute riefen an, um zu fragen, ob sie wirklich schließen mussten und wann sie wieder öffnen dürfen. „Viele haben gewartet, dass die Verwaltung sie anschreibt“, erklärt Ina Rathfelder. Doch eine offizielle Information gab es nicht. Die Gewerbetreibenden sind verpflichtet, sich selber über die jeweils geltenden Vorschriften zu informieren.

Kosten senken, Hilfen beantragen

Genauso dringlich war die Frage: was tun, wenn es keinerlei Einkünfte mehr gibt? In Info-Mails, per Telefon und WhatsApp riet das BIWAQ-Team zur sofortigen Kostenminimierung. Das heißt: möglichst Mietreduzierungen oder zumindest Stundungen mit dem Vermieter aushandeln, Krankenkassenbeiträge senken und mit den Stromversorger eine Absenkung der monatlichen Abschlagsrate vereinbaren. Auch auf die Corona-Soforthilfe wies das Team hin. „Das hat ganz gut funktioniert, damit konnten viele die erste Zeit überbrücken“, sagt Rathfelder. Die Gutscheinaktionen, mit denen man die Läden im Kiez in dieser schwierigen Zeit unterstützen konnten, hätten ebenfalls vielen geholfen. Andere lehnten sie ab, weil sie dann nach Wiedereröffnung monatelang keine Einkünfte gehabt hätten und sich somit die finanziellen Probleme nur verschoben hätten.

Akzeptanz der Corona-Regeln  

Erst seit Ende April, als die meisten Läden schrittweise wieder öffnen durften, hat das Team die persönliche Vor-Ort-Beratung wieder aufgenommen. Nun muss erläutert werden, wie man die vorgeschriebenen Hygieneregeln im Laden konkret umsetzt. „Die Anfragen reißen nicht ab“, sagen die beiden. „Man muss auf ganz viel achten, viele Vorschriften kommen quasi über Nacht und werden alle paar Wochen angepasst“, so Ina Rathfelder. Die grundsätzliche Einsicht in die Notwendigkeit dieser Regeln sei aber vorhanden, meint Refat Abusalem.

Viele bangen um ihre Existenz

Ob die Läden mittelfristig überleben, hänge unter anderem von der Konsumbereitschaft ab. „Auf jeden Fall haben es die Geschäfte, die ihre Hauptkundschaft im Kiez haben, einfacher als diejenigen, die hauptsächlich auf Touristen setzen“, erklärt Ina Rathfelder. Gerade für die Gastronomie sei es schwierig, dort gibt es oft keinerlei Reserven und noch fehlen die Touristen. Auf der anderen Seite: was ist die Alternative? Für die meisten ist der Laden die Existenzgrundlage. Aufgeben geht nicht.

Ein Zeichen gegen Gewalt und für ein vielfältiges Neukölln

Umso wichtiger ist ein attraktives Geschäftsumfeld. Gewalt oder ein Ruf als krimineller Hotspot ist definitiv schlecht fürs Geschäft. Leider gerät gerade die Sonnenallee immer wieder durch homophobe Beleidigungen und Angriffe in die Schlagzeilen. Die Zahlen sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Das wollte die Dar-As-Salam Moschee nicht länger hinnehmen und initiierte eine Kampagne. „Zu mir kommen immer wieder Frauen, die sich in der Sonnenallee einfach nicht wohl fühlen, weil sie dort belästigt und angemacht werden“, berichtet der Imam Mohamed Taha Sabri. Er suchte sich Partner, darunter das Team von BIWAQ, den Integrationsbeauftragten des Bezirks und Gewerbetreibende und entwickelte die Kampagne „Sicherheit Geborgenheit Neukölln“.

Keine Gewalt als kleinster gemeinsamer Nenner

Nach dem Vorbild der „Aktion Noteingang“ sollen Läden rund um die Sonnenallee mit gut sichtbaren Aufklebern zum Ausdruck bringen, dass sie Gewalt ablehnen und Betroffenen bei Angriffen Schutz bieten. Es war viel Überzeugungsarbeit notwendig, doch inzwischen haben fast alle Läden zwischen Hermannplatz und Fuldastraße einen solchen Aufkleber auf dem Schaufenster. Der Sticker sei nur der Türöffner, um mit den Ladeninhaberinnen und Inhabern ins Gespräch zu kommen, betont Ina Rathfelder. Es geht vor allem um Sensibilisierung zu dem Thema: „Unabhängig von Herkunft, sexueller Orientierung oder Lebensentwurf müssen sich hier alle Menschen sicher und willkommen fühlen.“ Die Ablehnung von Gewalt sei dabei der kleinste gemeinsame Nenner.

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Veranstaltungsreihe „Unternehmen digital“ bis November 2020 für Gewerbetreibende in Nord-Neukölln (per YouTube Live)

Die nächsten Termine (jeweils Mittwoch 8 bis 9 Uhr):

24.6.: Bin ich schon drin? Wie erstelle ich einen Google-My-Business-Eintrag?

22.7.: Was kann ich auf Facebook für mein Geschäft machen?

12.8.: Was kann ich auf Instagram für mein Geschäft machen?

26.8.: Brauche ich einen Online-Shop?