Gemüse konservieren ohne Kochen und Chemie
Karotten, Fenchel, Zwiebeln, Sellerie, Weißkohl und weiteres Gemüse liegen an diesem Donnerstag Mitte Juli in Schüsseln parat. Alles gut beschattet von einem Sonnendach – und auf Neugierige wartend, die sich an der Fermentation versuchen wollen. Und es dauert auch gar nicht lange, bis die Ersten sich an den Tisch im Kiezgarten in der Donaustraße setzen, um unter Anleitung von Ramona und Anna vom Verein „Restlos Glücklich“ das Gemüse in dünne Streifen zu schnippeln und dann möglichst eng in kleine Gläschen zu schichten. Anschließend gilt es, den eigenen Geschmack zu treffen: Zu Möhre und Sellerie jetzt noch Knoblauch und Dill – und vielleicht auch Ingwer? Der Kreativität sind da prinzipiell keine Grenzen gesetzt, auch Sternanis ist möglich.
Haltbarkeit durch Salzlösung
Einer der fleißig Schnippelnden entscheidet sich für extra scharf: Zu den zu fermentierenden Zwiebelscheiben kommen Senfkörner und eine kräftige Portion Chili. Ob sein Ansatz gelungen ist, will er aber später erst mal nicht selbst testen. „Dafür habe ich meine zwei kleinen Brüder!“ verkündet er mit einem Augenzwinkern.
Bei allen Gläsern kommt zum Schluss aber immer dieselbe entscheidende Zutat ins Spiel. „Das ist eine zwei- bis dreiprozentige Salzlösung, die bis an den obersten Rand des Glases eingefüllt wird“, erläutert Ramona von „Restlos Glücklich“. „Es darf keine Luft, also Sauerstoff mehr im Glas bleiben.“ Danach wird das Glas locker verschlossen, und vier bis fünf Tage lang blubbert der Inhalt vor sich hin.
Uraltes Verfahren
Im Laufe der nächsten Zeit wird der Inhalt immer saurer, denn eine unsichtbare zweite Zutat tritt in Erscheinung: das Milchsäurebakterium. „Diese Bakterien lieben Salz und produzieren Säure“, erklärt Ramona den ablaufenden chemischen Prozess. Die entstehende Säure schaltet im Glas die unerwünschten Bakterien aus und garantiert dadurch, dass das Gemüse nicht verdirbt. „Die Milchsäurebakterien sitzen zum Beispiel auch außen auf den Karotten“, so Ramona. Aha, deshalb also werden die Karotten besser nicht geschält, wenn sie fermentiert werden! Und da das Gemüse hier gerettetes Biogemüse ist, sitzen da besonders viele Milchsäurebakterien drauf.
Der Verein „Restlos Glücklich“, der das Projekt „Unsere Küche im Donaukiez“ durchführt, möchte Menschen dazu bewegen, Lebensmittel wieder mehr wertzuschätzen. Deshalb arbeiten sie mit geretteten Lebensmitteln und machen Workshops zum Beispiel zur Fermentation. Diese Konservierungstechnik wird gerade wieder entdeckt, aber eigentlich ist sie uralt. Man denke nur an Sauerkraut, das am langen Tag der Fermentation natürlich ebenfalls hergestellt wird. Da heißt es dann, den kleingeschnittenen Weißkohl zuvor kräftig kneten, bevor er ins Glas kommt.
Saisonales Gemüse für die Adventszeit
Mit Fermentation kann man saisonale Lebensmittel ganz ohne zugeführte Energie haltbar machen. Die Vitamine bleiben gut erhalten, und der chemische Prozess schließt die Nährstoffe auf, so dass sie vom Körper besser verwertet werden können. „Das ist besonders auch für Veganer interessant“, führt Ramona weiter aus. Eine Anwohnerin hat allerdings schon die Adventszeit im Visier, als sie eine Kombination von Möhre und Zimt zur Fermentation zusammenstellt. „Was soll ich mit zwei Kilo Möhren im Sonderangebot aus dem Supermarkt als Single?“ lautet ihre Überlegung, „so kann ich jetzt schon für Weihnachten vorbereiten.“
Webredaktion