Jüdische Lebensspuren sichtbar gemacht

Im Quartiersrat berichtete Peter Prölß von seiner Arbeit beim Verein „Tracing the Past“, der die Erinnerung an die verfolgten jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn wach halten will.

Foto: Jens Sethmann

Der Quartiersrat des Donaukiezes kam am 25. Mai im Nachbarschaftstreff bei Sivasli Canlar in der Donaustraße 102 zusammen. Hauptpunkt der Tagesordnung war ein Vortrag von Peter Prölß über eine Datenauswertung, mit der die früheren Wohnorte von Jüdinnen und Juden, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wurden, auf einer Karte sichtbar gemacht werden.

Namen auf den heutigen Stadtplan gebracht

Auf der Internetseite www.mappingthelives.org ist jede Adresse, an der jemand wohnte, der aus rassischen oder anderen Gründen verfolgt wurde, auf einem Stadtplan verzeichnet. Wenn man die Punkte anklickt, kann man die Namen der früheren Bewohnerinnen und Bewohner und deren Angehörigen sowie ihre Lebensdaten aufrufen. Man kann auch direkt nach Namen oder Adressen suchen.

Den Anstoß zu dieser Kartierung gab der US-Amerikaner Roderick Miller, der sich über die Stolpersteine gewundert hat und dann anfing zu forschen, wer in seinem Wohnhaus in der Hobrechtstraße gelebt hatte. Daraus ging der Verein „Tracing the Past“ (deutsch: Auf den Spuren der Vergangenheit) hervor, der ehrenamtlich Archive auswertet und Daten zusammenträgt. Die Namen und Lebensdaten kommen vor allem aus der Volkszählung von 1939, bei der man angeben musste, ob ein Großelternteil jüdisch war. Diese Daten werden dann mit den alten Adressbüchern und weiteren Quellen abgeglichen.  

Der Holocaust begann in den Straßen

Im Donaukiez wohnten laut der Volkszählung von 1939 rund 200 Menschen, die damals als „nicht-arisch“ galten. „Mapping the Lives“ gibt einen beklemmenden Eindruck davon, wie der Holocaust in unseren Straßen begann. Ob die Menschen noch emigrieren konnten, untergetaucht sind oder deportiert und ermordet wurden, ist in vielen Fällen unbekannt. „Als kleiner Verein werden wir es nicht schaffen, Lebensgeschichten zu erzählen“, erklärt Peter Prölß.

Die Datensammlung dient aber als Ausgangspunkt für weitere Recherchen. „Wenn man einen Namen mit Adresse und Geburtsdatum hat, ist es möglich, mehr Informationen zu finden“, so Prölß. Engagierte, die beispielsweise vor ihrem Haus Stolpersteine verlegen möchten, haben hier einen ersten Forschungsansatz. Der Verein hat auch schon eine Rückmeldung von Menschen aus Brasilien erhalten, die erst durch „Mapping the Lives“ erfahren haben, dass ihre Vorfahren aus Deutschland stammen.

Kiezgarten-Zukunft weiter ungewiss

Nach dem interessanten Vortrag blickte der Quartiersrat noch auf die laufenden Projekte. Unter anderem hat am 5. Mai der Kiezgarten in der Donaustraße 8 wieder eröffnet. 2023 ist allerdings das letzte Jahr, in dem das Projekt „Grüner Donaukiez“ über das Quartiersmanagement gefördert werden kann. Ob es im nächsten Jahr weitergehen kann, ist immer noch unklar. „Ziel war, dass der Kiezgarten dort langfristig steht“, sagt Till Rosemann vom Projektträger Life e.V. Es wäre zwar durchaus möglich, dafür Gelder zu beschaffen. Leider ist es aber trotz intensiver Bemühungen noch nicht gelungen, jemand zu finden, der die Verantwortung und die Haftung für den Kiezgarten übernimmt. „Das ist für uns alle ein Herzensprojekt“, sagt Quartiersmanagerin Ngoc Dinh-Le. „Wir versuchen noch eine Lösung zu finden.“ Eine Anwohnerin bringt es auf den Punkt: „Es wäre richtig schade, wenn es den Kiezgarten nicht mehr gäbe.“

Webredaktion