Das Tor zu Neukölln
Ein verruchtes Lokal und rundherum außer Wiesen gar nichts – so sah der Hermannplatz vor 200 Jahren aus. Das Stück Straße zwischen zwei Wegbiegungen wurde jahrhundertelang einfach nur „Platz am Rollkrug“ genannt, nach dem Amüsierlokal „Rollkrug“. Erst nachdem ab 1860 auf beiden Seiten des Platzes Mietshäuser entstanden wurde die Kreuzung Hermannplatz getauft. Mit der Umbenennung 1885 nach dem deutschen Nationalheroen wurde das neue großstädtische Ambiente unterstrichen. Das einstöckige, dörflich anmutende Haus mit dem Wirtshaus Rollkrug passte da nicht mehr und wurde 1907 abgerissen. An seiner Stelle wurde das Geschäftshaus „Neuer Rollkrug“ errichtet. Es steht noch heute und beherbergt unter anderem eine Filiale der Deutschen Bank.
Die Goldenen 20er
Bereits Mitte der 1920er Jahre mussten einige der Mietshäuser schon wieder abgerissen werden. Die U-Bahn wurde gebaut, außerdem standen sie dem Bau eines prächtigen Warenhauses im Weg. Das 1929 eröffnete Karstadt war ein Monumentalbau im Stile von New York. Entworfen von dem Architekten Philipp Schaefer war er seinerzeit das modernste Kaufhaus Europas. Seine beiden Türme mit jeweils 15 Meter hohen Lichtsäulen waren schon von weitem zu sehen. Ein Highlight war auch der elegante, riesige Dachgarten mit 500 Plätzen. Jeden Nachmittag spielte hier eine Musikkapelle. Als erstes Kaufhaus Europas verfügte Karstadt zudem über einen unterirdischen Zugang vom U-Bahnhof aus. In den letzten Kriegswochen wurde das Kaufhaus von der SS gesprengt. Die Waren sollten nicht der heranrückenden Sowjetarmee in die Hände fallen. Noch heute wird der Hermannplatz vom Karstadt dominiert, aber der alte Glanz ist dahin. Der Wiederaufbau ab 1950 und die sich anschließenden Erweiterungsbauten fielen wesentlich schlichter aus.
Von der Pferdekutsche zur Elektrischen
Seit über 150 Jahren ist der Hermannplatz ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Zuerst rumpelten die Pferdebahnen über den Platz, ab 1899 dann die erste elektrische Straßenbahn. Als Ringbahn führte sie über Rixdorf, Britz, Tempelhof, Schöneberg und Kreuzberg. Weil der südliche Bereich damals noch unbewohnt war, hieß sie im Volksmund angeblich "Wüstenbahn". 1964 fuhr die letzte Straßenbahn über den Hermannplatz. Zwischenzeitlich, um 1905, gab es sogar die kühne Idee, eine Schwebebahn vom Bahnhof Gesundbrunnen über den Hermannplatz bis zum Bahnhof Rixdorf zu führen. Doch daraus wurde nichts.
Auf dem Markt mischt sich Arm und Reich
Anfang der 1980er Jahre wurde der Platz umgestaltet, Markt- und Aufenthaltsflächen entstanden. Am 27.April 1985 wurde der neugestaltete Platz mit einem Volksfest eingeweiht. Sein „Wahrzeichen“ ist seitdem die Bronzeplastik „Tanzendes Paar“ von dem Bildhauer Joachim Schmettau. Ursprünglich drehte sich das nackte Pärchen zweimal stündlich um die eigene Achse. Doch längst steht die Plastik still. Fünfmal pro Woche ist auf dem Hermannplatz Wochenmarkt. Sizilianisches Streetfood, ein Kaffee-Barrista und eine Currywurst-Bude - in Neukölln geht das irgendwie zusammen. Trinkercliquen und Drogenabhängige stehen neben Hipstern und Touristengruppen.
Streit um die Rekonstruktion des Karstadt
Aktuell ist die Zukunft des Hermannplatzes ein heiß diskutiertes Thema in der ganzen Stadt. Der Eigentümer des Karstadt, die Signa-Gruppe, will das Gebäude abreißen und im Stile von 1929 wieder erstehen lassen. Dagegen regt sich Widerstand, die Initiative „Karstadt erhalten“ befürchtet durch den „Luxustempel“ eine weitere Aufwertung im Umfeld. Kleine Läden würden verdrängt und die Mieten weiter steigen. Auch der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg – das Grundstück steht im Nachbarbezirk – ist gegen den Bau. Andere finden, dass ein solch ansprechender Neubau dem Platz gut tun könnte.