Moderne Kiezschule in alten Gemäuern

Heute biegen wir von der wuseligen Sonnenallee in die Hobrechtstraße und stehen nach ein paar Metern vor einem blauen Gebäude, das nach 50er oder 60er Jahre aussieht. Doch wenn ihr durch das Tor geht, entdeckt ihr dahinter ein schönes altes Backsteingebäude aus dem Kaiserreich. Bis 1990 hättet ihr die Theodor-Storm-Grundschule übrigens von der Sonnenallee aus betreten können

Fotos: Birgit Leiß

Es ist nicht das Einzige, das sich verändert hat. Das fällt schon im Innenhof auf. Vor einer bunt bemalten Wand mit Motiven aus Theodor Storms Märchen „Die Regentrude“ und der Novelle „Der Schimmelreiter“ stehen Hochbeete. Das Wandgemälde haben die Kinder 2014 zusammen mit einer Künstlerin gestaltet. Die Hochbeete wurden ein paar Jahre später mit dem Projekt „Grüner Donaukiez“ gebaut und bepflanzt. Beide Aktionen wurden über das Quartiersmanagement Donaustraße-Nord unterstützt. Eine attraktive, gut ausgestattete Kiezschule, die allen Kindern gleiche Bildungschancen bietet – was könnte es Wichtigeres geben in einem Quartier?

Theos Schüleroase zieht in die Hausmeisterwohnung

Um 1900, als die Schule als 18. Gemeindeschule gegründet wurde, war der Unterricht streng nach Knaben und Mädchen getrennt. Der Haupteingang war damals in der  Kaiser-Friedrich-Straße 4 (heute Sonnenallee). Erst 1990 wurde dieses Tor geschlossen und die Adresse lautete fortan „Hobrechtstraße 76“. Ihren Namen erhielt die Theodor-Storm-Schule bereits 1956. Drei Jahre später wurde die blau angestrichene Turnhalle eingeweiht, die man von der Straße aus sieht. Eine Hausmeisterwohnung – damals Standard in Schulen – braucht man heute nicht mehr. Diese Räume wurden zur Schulstation „Theos Schüleroase“ umgebaut. Sie wird ebenso wie der Hort von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Berlin Kreisverband Südost e.V. betrieben.

Schön, aber nicht mehr zeitgemäß

„Es ist eine schöne Schule“, sagt Henning Dietz von der Schulstation. „Aber die voneinander abgeschottenen Räume entsprechen nicht mehr dem heutigen pädagogischen Anforderungen, wo in kleinen Gruppen gelernt wird.“ Auch dass die Schule mit rund 180 Kindern relativ klein ist, findet der Pädagoge gut: „Es hat allerdings auch den Nachteil, dass die organisatorische Arbeit auf weniger Schultern verteilt ist.“

Pilze züchten oder doch lieber auf dem Solarkocher brutzeln? 

Die Theodor-Storm-Grundschule hat den Status Brennpunktschule. „Lernen ist für uns mehr als die bloße Vermittlung von Wissen“, steht auf der Homepage. In diesem Sinne wurde in den vergangenen zehn Jahren viel in eine moderne Ausstattung investiert. Bestes Beispiel: die 2015 eröffnete Lernwerkstatt. Ein Raum, wo die Kinder in kleinen Gruppen mit einem Solarkocher experimentieren, in der Schreibwerkstatt Papier schöpfen oder zu Magnetismus forschen. „Klassischer Unterricht ist natürlich wichtig“, sagt Henning Dietz. „Aber es muss auch etwas Praktisches dabei sein, etwas, dass die Kinder anfassen können“. „Die Kinder kommen mit Ideen an, über die wir staunen“, ergänzt seine Kollegin Isabel Seith. Zum Beispiel Schnecken züchten. Oder Pilze. Ganz begeistert sind die Jungen und Mädchen auch von der Keramikwerkstatt im Keller. Anfang 2020 wurde hier ein nagelneuer Brennofen angeschafft. Da trifft es sich gut, dass Isabel Seith, die erst seit zwei Jahren im Team ist, eine Leidenschaft fürs Töpfern hat. Buddeln im Schulgarten kommt bei den Schüler*innen ebenfalls gut an. Gerade kürzlich, im September wurden hier zusammen mit Sechstklässlern und dem Team vom „Grünen Donaukiez“ Hochbeete gebaut.

Mit Beteiligung der Kinder sind kreative Lernorte entstanden

Im Rahmen des Projekts „Partizipative Ausstattungsverbesserung von Lernorten“ wurden außerdem eine Kreativwerkstatt und zwei Bewegungsräume eingerichtet, einer davon im Hort „Sonnenkids“, der sich ein paar Meter entfernt, in der Sonnenallee Ecke Pannierstraße befindet. Balancieren, tanzen, klettern, aber auch auf gemütlichen Sitzkissen oder Hängematten entspannen und lesen – all das ist hier möglich. Außerdem gibt es eine Multimediaanlage inklusive Beamer, so dass auch Filmvorführungen möglich sind. All diese Dinge hatten sich die Schülerinnen und Schüler ausdrücklich gewünscht. „Was wir jetzt noch brauchen, ist W-LAN und mehr Tablets“, erklärt Henning Dietz. Er und seine Kollegin berichten, dass es für die Kinder nach der langen Schließzeit während des Lockdowns sehr schwierig war, wieder hier anzukommen. Über das Programm „LernBrücken“ wurden sie in kleinen Lerngruppen gezielt unterstützt.

Frischer Wind im Kollegium 

Derzeit findet in der Theodor-Storm-Schule ein Generationswechsel statt. Viele ältere Lehrer*innen gehen demnächst in den Ruhestand, so auch Schulleiterin Margret Walz.  Die vielen Quereinsteiger*innen bringen spannende neue Perspektiven auf Schule rein, findet  Henning Dietz.  Man darf gespannt sein, wie die Theodor-Storm-Schule in fünf oder zehn Jahren aussieht.